Hunde-Blog

Tierschutzhund: Kleine Freiheit im Freilauf

von Tina Drews - 26 Nov, 2021

Tierschutzhund: Kleine Freiheit im Freilauf

Herausforderung Tierschutzhund: Ich bin Lena, 30 Jahre alt, hauptberuflich Kauffrau im Gesundheitswesen, aber nebenberuflich in der Ausbildung zur Tierpsychologin. Mein Piccolo ist ein Tierschutzhund aus Griechenland und manchmal eine echte Herausforderung – aber ich liebe ihn total. Vielleicht gerade, weil wir zusammen so viel lernen (müssen)? In dieser Artikelreihe bei Leckermeister möchte ich euch mitnehmen auf unseren Weg – von meiner Entscheidung für einen Tierschutzhund über Einreise, Kennenlernen bis zu unserem nicht ganz einfachen Alltag.

In der letzten Geschichte, habe ich euch von Piccolos Liebe zu Ella erzählt - heute geht es um die Liebe zur Hundewiese! Ich muss ehrlich sagen, ich habe früher nicht sehr viel von einer Hundewiese bzw Freilauf gehalten. Aber da hatte ich auch meinen Struppy - der wollte eh nie mit anderen Hunden spielen und konnte überall frei laufen. Selbst wenn er mal einen Hasen gesehen hat, war es ihm egal.

Und nun habe ich Piccolo, alles andere als tiefenentspannt, sondern grundsätzlich ängstlich und misstrauisch. Zwischen und mit anderen Hunden (wenn auch nicht unbedingt jedem) taut er jedoch extrem auf - das aber einfach "irgendwo" zu versuchen und ihn abzuleinen, war wegen seiner Angst nie eine Option. Daher habe ich mir eine Hundewiese gesucht und war mit ihm zunächst auf einem ganz kleinen Freilauf.

Da gefiel es ihm sichtlich gar nicht: Er stand viel rum, hielt sich dicht bei mir auf, guckte mich an, jaulte und irgendwie wurde er mit den anderen Hunden nicht warm. Ich bin dann mit ihm zu dem großen Freilauf (in meiner Stadt) gefahren, 5 Hektar, komplett eingezäunt - eigentlich ideal. Allerdings hatte das Gelände keine guten Ruf und im Nachhinein verstehe ich das auch: Klar, dort fahren die Leute hin, die mit ihren Hunden genau dasselbe Problem haben wie ich - nicht richtig abrufbar...

Wir haben dort aber nie Stress mit anderen Hunden gehabt, stattdessen tobt, spielt und rennt Piccolo, was das Zeug hält. Er hört dort eigentlich sehr gut, klar manchmal auch erst bei dritten Rufen, aber den Auslauf, den er da hat, kann ich ihm ohne Freilauf nicht bieten. Mittlerweile ist Piccolo dort richtig aufgetaut, er liebt es einfach zu spielen und er nähert sich sogar "fremden Menschen", nimmt Leckerchen von ihnen. Vor allem zwei Frauen haben sich dort wirklich um ihn bemüht und versucht, dass er ihnen vertraut. Das tut er mittlerweile auch - und ich drücke da die Augen zu, denn er macht es nur hier und nur bei diesen beiden Frauen.

Grundsätzlich gilt natürlich schon: Hunde sollten lernen, dass es eine Belohnung nur beim Besitzer gibt und nicht "Fremde" anbetteln. Außerdem kann man halt einfach nicht jedem Menschen vertrauen, deswegen sollten Hunde nicht von Fremden essen nehmen. 

Piccolo und Ella am Strand

Wenn es so schön ist, dass man nicht wieder nach Hause will... 

Seine große Liebe zur Hundewiese führte nach einer Weile aber auch zu einem negativen Nebeneffekt, mit dem ich ja nun gar nicht gerechnet hatte: Es gab eine Zeit, da wollte Piccolo einfach nicht nach Hause. Die ersten eineinhalb Stunden hörte er super, danach ging bei ihm eine „innere Uhr" an: Mama will gleich nach Hause, dann war Sicherheitsabstand angesagt. Fortan kam er mir nicht näher als etwa fünf Meter, egal mit welchem Leckerchen ich ihn lockte. Am Anfang habe ich immer andere Hunde gestreichelt und sie totaaaaal gelobt - zack, war der eifersüchtige Stinker auch da und ich kriegte ihn zu fassen.

Aber irgendwann hat das nicht mehr geklappt. Dann habe ich die Wiese verlassen und mich am Ausgang hinter einem Baum versteckt. Die Leute, die das sahen, dachten echt, ich bin bescheuert. Aber es brachte was, denn dann dachte er wohl, ich lasse ihn allein - er kam hinterher und ich konnte ihn beim Tor anleinen. Allerdings hatte sich auch dieser Trick schnell abgenutzt. Es gab den einen Tag, an dem ich über drei Stunden (!) auf Piccolo „gewartet“ habe - egal, was ich gemacht habe, Wiese verlassen, mich ruhig irgendwo hingesetzt, andere Hunde gestreichelt, versteckt. Er kam nicht und er ließ sich nicht greifen.

Ich war sowas von frustriert, hätte heulen können (habe ich auch getan) und dann dazu diese Sprüche von Passanten: „Hast du es schon mit Leckerchen probiert? Dann hast du die falschen mit...“ Ich verstehe Leute nicht, die sich einmischen und immer alles besser können, aber das passiert einem mit einem Angsthund sehr oft. Leider ist aber nicht jeder Hund auf Essen fixiert, und das verstehen viele nicht. Der Rat ist oft nett gemeint, aber DIESER HUND nimmt im Stress kein Essen, egal welche Leckerchen es auch sind. 

Dieses Erziehen im Vorbeigehen ist eh schwierig: Jeder Hund ist unterschiedlich und nicht jeder Hund reagiert so, wie man dies möchte. Manchmal reagieren eher auf Snacks, manche eher auf Kommandos - oder auf nichts von beiden! Und jeder Passant sollte daran denken, dass nicht alle Hunde gleich sind - erst recht nicht die aus dem Tierschutz oder aus einem Tierheim.

Am Ende kamen Pia und Ella noch mal an der Hundewiese vorbei, wir haben sie dann spielen lassen und Piccolo nachher zu viert eingekesselt. Da kam er dann plötzlich zu mir gerannt. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich echt schon kurz überlegt, ihn da zu lassen, so frustriert war ich... Jedenfalls darf Piccolo seitdem nur noch mit kurzer Schleppleine auf den Freilauf. Im Moment klappt das Nachhausegehen aber wieder sehr gut, so dass ich es irgendwann wieder ohne Leine probieren werde.

In der nächsten Story erzähle ich euch von einer der schlimmsten Situationen in meinem und auch Piccolos Leben - er ist von zuhause abgehauen! Und ja, man sagt immer „sowas passiert nicht“ - doch, es kann passieren.

Diese Folgen „Herausforderung Tierschutzhund“ sind bereits erschienen: